"Viel Frauensolidarität erlebt. Frauen-Notruf verabschiedet Christa Mansky"

Frauennotruf Wetterau

Christa Mansky, seit 1999 Leiterin des Frauen-Notrufs Wetterau, wird heute verabschiedet und geht in den Ruhestand. Mansky spricht über vier Jahrzehnte Arbeit in Frauenberatungs- und -Schutzinstitutionen.

Christa Mansky, seit 1999 Leiterin des Frauen-Notrufs Wetterau in Nidda, geht in den Ruhestand. Allerdings wird sie weiter einzelne Beratungen übernehmen und sich als Ehrenamtliche engagieren. Ihre Nachfolge übernehmen Jeanette Stragies als Beraterin und Anne Hantschel für die Öffentlichkeitsarbeit sowie Projekte im Frauen-Notruf.

Frau Mansky, Sie haben 17 Jahre lang im Frauenhaus Gießen und fast 24 Jahre lang beim Frauen-Notruf gearbeitet und dabei schwierigen Aufgaben und erschütternden Erfahrungen standgehalten. Warum hatten Sie sich gerade dieses Arbeitsfeld ausgesucht?

Ich habe in Gießen Soziologie studiert und mit dem Magister abgeschlossen. Gesellschaftliche Ungerechtigkeit sowie die Möglichkeiten, daran etwas zu verändern, haben mich schon als Jugendliche und erst recht während des Studiums interessiert. Zunächst habe ich mich schwerpunktmäßig mit Randgruppen und sozialen Brennpunkten befasst, bin aber schon dort auf das Thema Gewalt gegen Frauen gestoßen. Wenn ich im Folgenden von Frauen rede, sind auch Mädchen und Transpersonen eingeschlossen. Schon vor der Zwischenprüfung habe ich Kontakt zur Frauenbewegung und zum Frauenhaus Gießen bekommen. Das Ziel, dass Frauen aktiv werden, um die Gesellschaft konkret und politisch zu verändern, hat mich fasziniert.

Welche Erfahrungen haben Sie im Frauenhaus gemacht?

Viele, die ich nicht für möglich gehalten hätte. Eine meiner ersten Arbeiten war die Organisation einer Demo, weil ein Mann ins Frauenhaus eingedrungen war und dort seine Frau ermordet hatte. Ich habe erlebt, wie Frauen sich aus Gewaltbeziehungen lösen konnten. Leider habe ich auch den Sog toxischer Beziehungen kennengelernt. Frauen sind trotz absehbarer körperlicher oder seelischer Gewalt zu ihren Männern zurückgekehrt, die sie misshandelt haben. Allerdings war zum Ausstieg aus Gewaltbeziehungen meist ein Netz professioneller Hilfen nötig, das erst nach und nach aufgebaut werden musste. Die Arbeit war finanziell und institutionell noch lange nicht abgesichert. Meine Kolleginnen und ich haben viel unbezahlte Arbeit geleistet.

War Ihre berufliche Situation mit dem Wechsel zum Frauen-Notruf 1999 besser abgesichert?

Erst schrittweise. Zwar war der Frauen-Notruf dank eines engagierten Trägervereins, der Arbeit meiner Kollegin Ulla Seipel und der Bereitstellung städtischer Räume aus den ersten Pionierjahren herausgekommen. Aber ich fing auf einer ABM-Stelle an, die erst 2002 durch die Finanzierung des Wetteraukreises abgesichert war.

Was waren Ihre Aufgaben beim Frauen-Notruf?

Zum einen die Bereitstellung passgenauer Hilfen für Frauen, die von Gewalt verschiedenster Art, auch am Arbeitsplatz, betroffen waren. Zum anderen die Öffentlichkeitsarbeit und das Aufbrechen von Tabus. Ich bin froh, dass sich die Notrufarbeit immer mehr Anerkennung verschaffen konnte, weil das den Frauen nutzt, die unsere Hilfe brauchen.

Sie sprachen von einem Netz nötiger vernetzter Hilfen – konnte das in der Wetterau aufgebaut werden?

Ja, eindeutig. Ich kann jetzt nicht alle Einrichtungen und Arbeitsverbindungen aufzählen und möchte nur schlaglichtartig einige nennen, mit denen der Frauen-Notruf unmittelbar zusammenarbeitet. Zum Beispiel der »Runde Tisch gegen häusliche Gewalt« als interdisziplinäre Arbeitsgruppe, die medizinische Soforthilfe nach Vergewaltigung im Hochwaldkrankenhaus in Bad Nauheim, das Projekt »Suse – Sicher und selbstbestimmt« für Frauen mit Handicaps, wofür der Wetteraukreis eine der Modellregionen wurde und in dem Fachkräfte der Behindertenhilfe und des Gewaltschutzes eng zusammenarbeiten. Interdisziplinär vorbereitet wurde auch die Fachtagung »Auswirkung häuslicher Gewalt auf Kinder« im Plenarsaal des Friedberger Kreishauses. Oft gehen Prävention und Hilfe ineinander über. Etwa bei unserer Informationskampagne zu K.O.-Tropfen. Aus meiner täglichen Erfahrung heraus kann ich von einer guten Vernetzung in der Wetterau sprechen.

Eine überspitzte Frage: Ist Gewaltschutzarbeit die »Domäne der idealistischen Helferinnen«, oder sind auch Gesellschaft und Politik gefragt?

Auf jeden Fall. Deutschland hat ja die Istanbul-Konvention zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und von häuslicher Gewalt unterzeichnet und sich damit verpflichtet, ein ausdifferenziertes Hilfesystem und schützende Gesetze zu schaffen. Da muss noch viel getan werden, einiges wurde aber auch schon umgesetzt. Zum Beispiel war die Reform des Sexualstrafrechts nach dem »Nein heißt Nein«-Prinzip ein wichtiger Schritt, der ganz konkret in unserer Arbeit nützlich war. Der Bundesverband von Frauenhäusern und -beratungsstellen vertritt die Interessen von Gewaltopfern auch auf politischer Ebene. Gefragt ist aber auch eine sensibilisierte Öffentlichkeit. Die fatale »Selber schuld«-Einschätzung bei Gewalt gegen Frauen verschwindet langsam. Wir sind dankbar für die Unterstützung regionaler Serviceclubs oder Landfrauenvereine, um nur einige zu nennen.

Bewusst verstehen Frauenhaus und Frauen-Notruf ihre Arbeit frauenparteilich. Heißt das »Immer böse Männer, immer gute Frauen«?

Nein, das heißt, dass es unser Ziel ist, Frauen aus gewaltgeprägten Situationen heraus zu begleiten und beim Aufbau eines autonomen Lebens zu unterstützen. Wir wissen durchaus, dass auch Männer Gewaltopfer in Partnerschaftsbeziehungen sein können, und auch sie haben Anspruch auf Hilfe. Aber das ist die Aufgabe anderer sozialer Dienstleister.

Eine Frage, die sich Eltern und Großeltern oft stellen: Kann Erziehung Kinder davor schützen, dass sie künftige Opfer werden – und Täter erst recht nicht?

Eine gute Vorbereitung ist das gewaltfreie Zusammenleben in der Familie, das alltägliche Einüben von Chancengleichheit, Kompromissen und Fairness, aber auch von Selbstbewusstsein.

Sie haben Jahrzehnte lang Opfer von Gewaltsituationen mit allen körperlichen und seelischen Folgeschäden erlebt. Eine belastende Arbeit – wie konnten Sie das aushalten?

Belastend stimmt – ich habe von Anfang an gemerkt, dass ich positive Erfahrungen im Privatleben dagegensetzen muss. Ich habe einen großen Freundeskreis, eine unterstützende Partnerin, ich spiele Klarinette und Klavier, und ich bin Yogalehrerin. Dass ich auch Yogakurse für Frauen in sozialen Berufen gebe, freut mich. Sich zu entspannen, zur Ruhe und zur Mitte zu finden, ist ein Gegengewicht zu dunklen berufliche Erfahrungen. Und ich habe in beruflichen und privaten Beziehungen viel Frauensolidarität erlebt, wofür ich zutiefst dankbar bin.

Foto: Christa Mansky (links) wechselt von der haupt- in die ehrenamtliche Arbeit. Ihre Nachfolgerinnen beim Frauen-Notruf sind Jeanette Stragies (Mitte) und Anne Hantschel. © Elfriede Maresch

Wetterauer Zeitung, 31.03.2023