Unterstützung nach Vergewaltigung: Frauen-Notruf Wetterau klärt auf

Frauennotruf Wetterau

Jede Vergewaltigung ist ein medizinischer Notfall. In einer Serie greift die WZ Themen auf, u.a. wie eine Untersuchung im Krankenhaus abläuft und welche Spuren aufbewahrt werden können.

Sich selbst wichtig nehmen, sich Unterstützung holen – darin möchte der Frauen-Notruf Wetterau Betroffene von Vergewaltigungen bestärken. Ihr Ziel ist es, Frauen und Mädchen dafür zu sensibilisieren, sich nach einer Vergewaltigung medizinische Hilfe zu holen. Der Frauen-Notruf Wetterau in Nidda hat nun die Social-Media-Kampagne »Hol Dir Hilfe« gestartet, um Frauen und Mädchen dafür zu sensibilisieren, sich nach einer Vergewaltigung medizinische Hilfe zu holen. In einer kurzen Serie stellt die Wetterauer Zeitung das Angebot der Soforthilfe vor und beleuchtet verschiedene Bereiche des Themas, beispielsweise die Spurensicherung nach einer Vergewaltigung.

9900 Fälle deutschlandweit

Rund 9900 Fälle von Vergewaltigung und sexueller Nötigung verzeichnet die »Polizeiliche Kriminalstatistik« des Bundeskriminalamts für das Jahr 2021 in Deutschland. Rund 9300 davon sind weibliche Opfer. »Und trotzdem ist sexualisierte Gewalt nach wie vor ein Tabuthema, über das viel zu wenig gesprochen wird«, heißt es in der Pressemitteilung des Frauen-Notrufs. Um das zu ändern, hat sich im Kreis unter der Federführung des Frauen-Notrufs Wetterau eine Arbeitsgruppe gebildet. Bei dieser arbeiten der Fachdienst Frauen und Chancengleichheit des Wetteraukreises, die Polizeidirektion Wetterau und die Bad Nauheimer Frauenbeauftragte Patricia Mayer mit.

»Unser Ziel ist es, möglichst breit gefächert über das Thema sexualisierte Gewalt aufzuklären«, sagt Claudia Taphorn, die Mitarbeiterin beim Fachdienst Frauen und Chancengleichheit ist.

Mit der Social-Media-Kampagne, die durch Mittel des Hessischen Ministeriums für Soziales und Integration gefördert wird, soll die Zielgruppe der jugendlichen Mädchen und jungen Erwachsenen besonders angesprochen werden. In sieben Kurzfilmen sind Frauen unterschiedlichen Alters zu sehen, die sich selbst umarmen. »Dieses Bild steht symbolisch für die Sorge um die eigene Gesundheit und das eigene Wohlbefinden«, sagt Anne Hantschel vom Frauen-Notruf.

Die Mitarbeiterinnen des Frauen-Notrufs wissen aus Erfahrung, dass die Hemmschwelle, sich nach einer Vergewaltigung Unterstützung zu suchen und darüber zu sprechen, bei vielen Betroffenen hoch ist. »Wir wollen junge Frauen dazu ermutigen, sich Hilfe zu holen«, sagt Hantschel. Als spezialisierte Beratungsstelle für Frauen, Mädchen und Trans, die sexualisierte Gewalt erlebt haben, beraten die Mitarbeiterinnen des Frauen-Notrufs Betroffene vertraulich über mögliche Hilfen, rechtliche Schritte und psychische Folgen.

Jede Vergewaltigung ist ein medizinischer Notfall

Gerade nach einer Vergewaltigung sollte eine medizinische Versorgung schnell erfolgen. »Jede Vergewaltigung ist ein medizinischer Notfall«, sagt Patricia Mayer, Frauenbeauftragte der Stadt Bad Nauheim. Im Wetteraukreis können sich Betroffene deshalb im Hochwaldkrankenhaus Bad Nauheim rund um die Uhr medizinisch versorgen und auf Wunsch auch Spuren sichern lassen. Eine Befundsicherung kann im Hinblick auf ein mögliches Strafverfahren von großer Bedeutung sein, auch wenn die Betroffene zu dem Zeitpunkt noch unsicher ist, ob sie überhaupt eine Anzeige stellen will.

»Eine Vergewaltigung bzw. sexuelle Nötigung ist immer eine Straftat, auch wenn keine körperlichen Verletzungen sichtbar sind«, erklärt Susanne van Overbeke, Opferschutzkoordinatorin bei der Polizeidirektion Wetterau. »Diese kann bei der Polizei angezeigt werden. Eine frühzeitige Anzeige ist oftmals sinnvoll.« Trotzdem müsse sich niemand sofort dafür entscheiden, denn laut Strafgesetzbuch verjähren Vergewaltigungen erst nach 20 Jahren, sagt van Overbeke.

Im nächsten Teil der Serie will die Arbeitsgruppe gemeinsam mit dem Frauen-Notruf Wetterau das Angebot der Medizinischen Soforthilfe nach einer Vergewaltigung im Hochwald Krankenhaus Bad Nauheim vorstellen.

INFO: Mehr häusliche Gewalt während Corona

Im vergangenen Jahr suchten laut Jahresbericht insgesamt 354 Frauen und Mädchen Unterstützung beim Frauen-Notruf Wetterau. Damit waren es nach eigenen Angaben in 2021 mehr Fälle als in jedem anderen Jahr, seit es die Fachberatungsstelle für gewaltbetroffene Frauen, Mädchen und Trans in Nidda gibt. Überrascht habe der Anstieg die Beraterinnen nicht. Die Leiterin des Frauen-Notrufs, Christa Mansky, nennt die Corona-Pandemie als Ursache. Existenzielle Sorgen sowie räumliche und soziale Beschränkungen führten zum Anstieg von häuslicher Gewalt. Zugleich erfuhr das Thema große mediale Aufmerksamkeit im vergangenen Jahr, wodurch Hilfsangebote bekannter wurden. Auch durch eigene Öffentlichkeitsarbeit informiere der Frauen-Notruf über seine Angebote und versuche, die Öffentlichkeit für das Thema zu sensibilisieren.

Wetterauer Zeitung online, 13.10.2022