Sexualisierte Gewalt - Wenn Jugendliche Opfer werden

Frauennotruf Wetterau

Wetterauer Zeitung – 30.11.2017

Sexualisierte Gewalt
Geliebt, verfolgt, bedroht – wenn Jugendliche Opfer werden
Was tun, wenn der Ex ständig Nachrichten schickt? Was, wenn ein Nein beim Sex nicht akzeptiert wird? Diese und andere Fragen wurden nun im Friedberger Junity beantwortet.

Laut einer hessischen Studie wurde knapp die Hälfte aller Jugendlichen bereits mit sexualisierter Gewalt konfrontiert. Eine Expertenrunde, zu der der runde Tisch gegen häusliche Gewalt im Wetteraukreis Jugendliche zwischen 14 und 22 Jahren sowie Eltern und Lehrer ins Friedberger Junity eingeladen hatte, beantwortete viele Fragen und erklärte, wo Jugendliche Hilfe finden können.

Zu der Veranstaltung mit dem Titel »NiXda!« kamen Vertreter der Kriminalpolizei, Anwälte und eine Expertin des Frauennotrufs, die Moderation führte Theaterpädagogin Arnika Senft. Neben dem Leiter des Junity, Lukas Hölzinger, und Claudia Taphorn vom Wetterauer Fachdienst Frauen und Chancengleichheit, die die Veranstaltung organisiert hatte, begrüßten auch Bürgermeister Dirk Antkowiak und Sozialdezernentin Stephanie Becker-Bösch die Gäste.
Zwischen den Expertentalks vermittelten die jungen Schauspieler des Theaterprojekts des Berufsbildungswerks Karben mit Ausschnitten des Stücks »Herzscheiße«, mit teils bedrückender Eindringlichkeit, wie sich falsch verstandene Liebe auswirken kann. Christa Mansky erläuterte, die Arbeit der Frauennothilfe bestehe vor allem darin, Betroffenen beizustehen, auch bei eventuellen Zweifeln: »Auch Widersprüche brauchen Raum«. Man berate vor allem Frauen und Mädchen, aber auch Angehörige und Partner. Betroffenen Männern könne man Beratungsstellen vermitteln.

Das hat mit Liebe nichts zu tun

In einem Poetry-Slam zum Thema Stalking machte Annika Hofmann auf die Bedrohlichkeit aufmerksam. Mit fiktiven Briefe eines Stalkers und Zitaten aus dem Stalking-Paragrafen verdeutlichte sie, dass dies nichts mit Liebe zu tun hat, sondern mit Überwachung, Bedrohung und Gewalt.
Josi Humm vom Junity-Team stellte anhand anonymisierter Fälle Fragen an die Experten: Ab wann werde das Schreiben von Nachrichten zum Stalking? Wie Anwältin Dr. Maike Koch erklärte, habe sich die Gesetzgebung im März dieses Jahres stark geändert: Sei zuvor eine starke Beeinträchtigung in Form eines Umzugs oder Arbeitsplatzwechsel Voraussetzung für eine Strafverfolgung gewesen, reiche jetzt, wenn Gefahr bestehe.
Zum Thema Fotos und Videos mit sexuellen oder pornografischen Inhalten rieten die Experten den Jugendlichen einstimmig, dies weder zu tun noch untereinander weiterzugeben. Es sei fast unmöglich, solche Fotos wieder aus dem Internet zu entfernen. Auf eine Publikumsfrage, wie man sich verhalten solle, wenn man solche Fotos oder Filme geschickt bekomme, riet André Domagala, Jugendschutzexperte der Kriminalpolizei, zum Löschen, denn auch derjenige, der etwas weiterverteile, verstoße gegen Gesetze.
Nach einer Theaterszene, die die Bedrohlichkeit sexualisierter Gewalt zeigte, wandte sich die Expertenrunde der Frage zu, wann ein Nein Nein bedeute. Humm schilderte den Fall eines Mädchens, die zunächst zum Sex einwilligte, sich dann unter Tränen anders entschieden habe, aber nicht in der Lage gewesen sei, laut »Nein« zu sagen. Der Junge habe einfach weitergemacht. Handele es sich hierbei um Vergewaltigung? »Nein bedeutet Nein«, so die klare Aussage von Dr. Thorsten Kahl, doch sei die Beweissituation schwierig. Dem stimmte Domagala zu, zumal der Beschuldigte nicht aussagen müsse. Die Experten rieten, Beweise zu sichern, Kleidung aufzuheben.
Christa Mansky erklärte, dass man sich im Bad Nauheimer Hochwaldkrankenhaus kostenlos untersuchen lassen könne. »Die Ergebnisse werden an die Rechtsmedizin in Gießen gesandt und verbleiben dort für ein Jahr«, solange haben Betroffene Zeit für eine Anzeige. Der Frauennotruf stelle die Untersuchungskits zur Verfügung.