Niddaer Demokratie-Konferenz

Frauennotruf Wetterau

Übereinstimmung: Mit 16 wählen ist okay

Es ging um Mitsprache, Kinderarmut, Chancengleichheit und die Senkung des Wahlalters. Die zweite Niddaer Demokratiekonferenz des Jugendforums im Alten Kino in Nidda bot Raum zur Ausprache.

Nidda (mü). Jugendpartizipation und Kinderarmut, Chancengleichheit und die Senkung des Wahlalters von 18 auf 16 Jahre standen auf der Agenda der Podiumsdiskussion bei der zweiten Niddaer Demokratiekonferenz. Die Veranstaltung im Co-Working-Space im alten Hollywood-Kino war vom Jugendforum Nidda organisiert worden. Souverän führten die jungen Leute durch den Nachmittag, boten den ausstellenden Vereinen und Institutionen ebenso Raum zur Präsentation wie der Schulband des Gymnasiums Nidda um Marek Haesler von der Musik-Station und dem Duo Dissident mit Leon Hansmann an den Drums und Sänger Adrian Simons mit eigenen Songs zur Gitarre.
Zimmerling und Schreiber souverän

Das Podium war mit Bürgermeister Thorsten Eberhard (CDU), Landratskandidat Thomas Zebunke (Die Grünen) Julia Katharina Wintermeyer vom Frauen-Notruf Nidda und Laura Lobo Massaro (Vorsitzende der SPD Nidda) hochkarätig besetzt. Die Moderatoren Yannik Schreiber und Paul Zimmerling leiteten die Diskussion professionell und stiegen in jeden Themenkomplex mit einer Schätzfrage ein: »Wann und wo durften Jugendliche erstmals bereits mit 16 Jahren wählen?« Es war 1996 bei der Kommunalwahl in Niedersachsen. »Wie viel Prozent aller Schülerinnen und Schüler bundesweit befürworten die Aufnahme lebenspraktischer Fächer in den Lehrplan?« Es sind 75 Prozent. »Wie viele Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene in Deutschland sind armutsgefährdet?« Die Antwort lautet: 2,88 Millionen Kinder und Jugendliche, 1,55 Millionen junge Erwachsene. »Und wie viele Maßnahmen in puncto Kinder-, Jugend- und Familienförderung hat das Bundesfamilienministerium aktuell auf dem Plan?« Es sind 163 Maßnahmen.

In Sachen Wahlalter plädierten alle Diskussionsteilnehmer unisono für eine Absenkung auf das 16. Lebensjahr, sahen das 14. Lebensjahr als diskussionswürdig an und verneinten eine weitere Absenkung nach unten. Im Gefolge dieses Themas wurde die Bedeutung politischer und medienpädagogischer Bildung an Schulen hervorgehoben, die unbedingt auch die kritische Sichtung und Einordnung von Informationsquellen beinhalten sollte, wie besonders die SPD-Politikerin Laura Lobo Massaro hervorhob. Thomas Zebunke von den Grünen plädierte dafür, dass über den Technik- und Medien-Fächern Sport und Bewegung nicht vernachlässigt werden dürften, Bürgermeister Thorsten Eberhard regte an, den Kanon der Allgemeinbildung zu modernisieren.
Zu viele Jugendliche erfahren Gewalt

Julia Katharina Wintermeyer vom Frauen-Notruf betonte die Wichtigkeit, partnerschaftliche, kommunikative und konfliktlösungsorientierte Fähigkeiten auch in der Schule auszubilden. »65 Prozent aller Mädchen und 60 Prozent aller Jungen erleben Formen physischer und psychischer Gewalt an Schulen – diese Zahlen sind nicht hinnehmbar«, sagte sie und kündigte an, der Frauen-Notruf werde in nächster Zeit an die Schulen gehen und über seine Arbeit aufklären.

Kontrovers diskutiert wurden Fragen rund um das Klima und die Rolle der »Letzten Generation«. Speziell die jungen Moderatoren forderten mehr Druck und Schnelligkeit in Sachen Klimawende sowie ein Lobbyregister, aus dem hervorgehen müsse, wo und wie die Wirtschaft ökologische Maßnahmen behindere oder gar stoppe. Bezüglich Räume für Jugendliche in seiner Kommune stellte Bürgermeister Thorsten Eberhard eine zeitnahe Sanierung des Jugendzentrums der Stadt in Aussicht, die sich immer wieder verzögert habe, nicht zuletzt durch Denkmalschutzauflagen. Ebenso gab er bekannt, dass der Co-Workingspace für eine Übergangszeit von weiteren drei Monaten laut aktuellem Magistratsbeschluss durch die Stadt gefördert werde. »Auch dieser Ort ist ohne Zweifel ein vielseitig nutzbarer Raum für Jugendliche«, sagte der Rathauschef.

Zum Abschluss stellten sich die teilnehmenden Vereine und Institutionen vor: Neben dem Frauen-Notruf Nidda war die Ahmadiyya-Gemeinde durch Imam Syed Abrar Shah vertreten, die Antifaschistischen Bildungsinitiative durch Jasmin Kassel, das Jugendforum durch Yannik Schreiber und Alexandra Lukácová. Anwesend war auch Yalcin Can als Leiter der Koordinierungs- und Fachstelle »Nidda lebt Demokratie« bei der Stadt Nidda.

Kreis-Anzeiger, 13.06.2023