Jedes Gefühl wird ernst genommen - Frauen-Notruf berät nach Vergewaltigung

Frauennotruf Wetterau

Jede Vergewaltigung ist ein medizinischer Notfall. Der Frauen-Notruf Wetterau klärt über Hilfe nach einer Tat auf, bietet aber auch psychosoziale Beratung und Unterstützung für Betroffene an.

Sexualisierte Gewalt hinterlässt neben körperlichen Verletzungen immer auch seelische Spuren. Eine von vielen Aufgaben der Beraterinnen des Frauen-Notrufs Wetterau ist, die betroffenen Frauen und Mädchen in dieser Situation zu stabilisieren und zu unterstützen. Der Frauen-Notruf Wetterau hat seinen Sitz seit 1997 in Nidda. Der Verein besteht bereits seit 1988. Mittlerweile leisten drei Mitarbeiterinnen die hauptamtliche Arbeit in Teilzeit. Außerdem unterstützen weitere ehrenamtlich tätige Frauen den Frauen-Notruf Wetterau.

Eine Vergewaltigung – oder ein Vergewaltigungsversuch – ist eine massive Grenzüberschreitung und Persönlichkeitsverletzung für jedes Mädchen und jede Frau. Jede Betroffene reagiert individuell auf das Erlebte. Die Beraterinnen des Frauen-Notrufs setzen an dem individuellen Empfinden und den persönlichen Bedürfnissen ihrer Klientinnen an, um sie auf ihrem Weg, mit dem Erlebten umzugehen, zu begleiten.

Frauen-Notruf Wetterau: Jede Geschichte darf erzählt werden

Der Schritt, sich jemandem anzuvertrauen, ist sehr wichtig – aber nicht für jede Betroffene einfach. »Wir haben großen Respekt vor den Frauen und Mädchen, die sich uns anvertrauen«, sagt Jeanette Stragies vom Frauen-Notruf. Ihre Aufgabe zu Beginn einer neuen Beratung ist es, das Gefühl zu vermitteln, dass jede Geschichte hier erzählt werden darf und alle Gefühle ernst genommen werden. Manchmal bedarf es auch der Einordnung durch die Beraterinnen, dass es sich tatsächlich um eine Vergewaltigung und somit um eine Straftat handelt. Insbesondere wenn die Tat in der Ehe oder in einer Beziehung erfolgte, sind sich Betroffene nicht immer sicher, ob wirklich eine Vergewaltigung vorliegt. Auch Personen, denen sie sich anvertrauen, spielten das Erlebte zum Teil herunter und würden damit zur Verunsicherung beitragen, sagen die Beraterinnen. Nicht alle Klientinnen öffneten sich daher sofort, oft braucht es mehrere Gespräche bis Vertrauen aufgebaut ist. Auch dafür nehmen sie sich Zeit.

Frauen-Notruf Wetterau: Keine Therapie, aber Beratung

Neben der psychischen Stabilisierung geht es in der Beratung auch darum, Wege zur Bewältigung der erlebten Gewalt zu entwickeln. »Wir bieten keine Psychotherapie an. Unsere Beratung ist ressourcenorientiert und stabilisierend für die Klientinnen«, erklärt Stragies. Die Beraterinnen seien parteilich gegenüber den Frauen, setzten sich also für sie und ihre Interessen ein. Die Hilfe kann auf Wunsch auch anonym erfolgen. Fragen zum Ablauf einer Therapie und die Vermittlung von Adressen können ebenfalls im Gespräch gestellt werden. Entscheidungen über mögliche Schritte trifft die Klientin selbst.

Auch sind Informationen zur Strafanzeige, zum Strafverfahren und zum Gewaltschutzgesetz für die Betroffenen wichtig, um ihr weiteres Vorgehen zu planen. Entscheidet sich eine Klientin für eine Strafanzeige, begleiten die Beraterinnen sie auf Wunsch zur Polizei oder zum Gericht. Dies habe oft eine stärkende und beruhigende Wirkung auf die Frauen und Mädchen.

Frauen-Notruf Wetterau: »So viel mehr als eine Akutversorgung«

»Die medizinische Soforthilfe nach Vergewaltigung ist so viel mehr als eine Akutversorgung direkt nach der Tat«, sagt Christa Mansky, ebenfalls Mitarbeiterin beim Frauen-Notruf Wetterau. Die medizinische Akutversorgung mit freiwilliger Spurensicherung – im Wetteraukreis ist die Anlaufstelle dafür das Hochwaldkrankenhaus Bad Nauheim – steht an erster Stelle. Die weiteren Schritte können aber so verschieden sein wie die Betroffenen selbst.

Die Beratung beim Frauen-Notruf kann persönlich in der Beratungsstelle in Nidda, telefonisch, online und per Video-Übertragung erfolgen und ist kostenfrei und vertraulich. Sie steht allen Frauen, Mädchen und Trans ab 16 Jahren offen, unabhängig von kultureller, ethnischer und sozialer Herkunft, vom Aufenthaltsstatus oder dem Vorliegen einer Beeinträchtigung.

Frauen-Notruf Wetterau: Beratung auch für Angehörige oder Fachkräfte

Nicht nur Betroffene selbst, auch Angehörige, Freunde oder Fachkräfte, die mit dem Thema sexualisierte Gewalt in Berührung kommen, können sich beraten lassen. Im nächsten und letzten Teil der Serie berichtet die Polizei Friedberg, wie es abläuft, wenn Betroffene Anzeige erstatten möchten, bzw. Anzeige erstattet haben.

Kontakt zum Frauen-Notruf Wetterau:

Hinter dem Brauhaus 9 in 63667 Nidda befindet sich der Frauen-Notruf. Unter der Rufnummer 0 60 43/44 71 sowie unter der Mailadresse info@frauennotruf-wetterau.de sind die Beraterinnen erreichbar. Die Bürozeitung sind montags bis freitags von 9 bis 13 Uhr sowie mittwochs von 15 bis 19 Uhr (Beratungen auch nach Terminabsprache).

Info: Wie finanziert sich der Frauen-Notruf?

Mit 40 Prozent trägt der Wetteraukreis mit seinen 25 Städten und Gemeinden den größten Anteil an der Finanzierung des Frauen-Notrufs. Das geht aus dem Jahresbericht 2021 des Vereins hervor. Aus dem gesamten Kreis wenden sich Betroffene sexualisierter Gewalt, Angehörige, Vertrauenspersonen und Fachkräfte an die Fachberatungsstelle. Der Verein wünscht sich laut eigenen Angaben eine stärkere und regelhafte finanzielle Beteiligung, um die Arbeitszeit für die Beratung nutzen zu können und nicht in Werbung um öffentliche Gelder stecken zu müssen. Nach wie vor decken die öffentlichen Mittel des Landes, des Kreises und der Kommunen nicht den finanziellen Bedarf ab.

Wetterauer Zeitung online, 30.10.2022