Die Quickly rollt für Frauen in Not

Frauennotruf Wetterau

Die Quickly rollt für Frauen in Not

Der Eichelsdorfer Karlheinz Weiß macht soeben wahr, was er seit Jahren vorhat. Er und seine Quickly werden auf der Route 66 unterwegs sein. 4800 Kilometer mit einem Zweitakter.

Gut 60 Jahre alt ist die NSU. Die längste Strecke, die die mintgrüne Quickly je gefahren ist, hat sie aber noch vor sich. Zusammen mit dem Piloten Karlheinz Weiß. Der Eichelsdorfer, der das zierliche Moped steuert, hat fast zehn Jahre mehr auf dem Buckel. Doch der Politologe weiß, was er macht. Akribisch hat er die Tour geplant. Der kleine Zweitakter soll ihn rund 4800 Kilometer weit bringen. Unter anderem auf der legendären Route 66 in den USA. In der vorigen Woche ist er losgeflogen in die Staaten. Seit wenigen Tagen sind er und die Quickly »on the road«.

Sicher hat das Ganze nicht nur was mit bloßer Reiselust zu tun. Ein gutes Stück Abenteuer steckt da schon auch mit drin. Selbst im 21. Jahrhundert. Wer aber glaubt, der Eichelsdorfer wolle mit seiner Tour nur was zur Schau stellen, sich produzieren oder zeigen, was für ein »Held« er doch ist – völlig daneben. Karlheinz Weiß ist so einer nicht. Der Alt-68er, wie er sich einmal selbst charakterisiert und dabei wie ein Schelm gegrinst hat, braucht nicht das Beifall klatschende Publikum, das ihm hinterher anerkennend auf die Schulter klopft. Der Eichelsdorfer macht das für sich selbst. »Denn egal wie weit ich mit dem Moped letztlich kommen werde, ich werde Erfahrungen machen, die Kritikern immer verwehrt bleiben«, hat er einmal im Winter 2019 gesagt, als er mittendrin war in seinen Tourplanungen.

Corona und das Platzen der Pläne

Erinnerungen an seine Jugend spielen bei dem Tripp auf jeden Fall eine Rolle. Als Karlheinz Weiß mit 14 im heimatlichen Bergdorf im Oberallgäu über die Feldwege brauste, saß er auf einer Quickly. Die hatte ihm der Nachbar für zehn Mark verkauft. »Noch heute habe ich den Geruch des Öls von damals in der Nase, das Gefühl von Freiheit im Bauch und den Sound des Zweitakters im Ohr.«

Der Mann aus dem Niddaer Stadtteil weiß, was es heißt, spezielle Touren zu unternehmen. Von Kanada nach Mexiko mit dem Fahrrad. Viele dürften das noch nicht gemacht haben. Er schon. Als damals 63-Jähriger hat er im Sommer 2016 die 3286 Kilometer in 35 Tagen geschafft. Auch das ein Erlebnis, das er nicht missen möchte.

Seit vergangener Woche ist er wieder in den USA. Mit zweijähriger Verspätung. Im Mai 2020 hätte es eigentlich schon losgehen sollen. Im Dezember des Vorjahres war die Quickly bereits in einem Container in die Staaten verschifft worden. Alles war bereit.

Doch dann kam Corona. Und mit der Pandemie das Platzen aller Träume. Weiß setzte dann aufs Frühjahr 2021, in der Hoffnung, das Virus sei bis dahin weitgehend eingedämmt und unter Kontrolle. Ein Trugschluss, wie sich herausstellte. Das Virus ist zwar immer noch da. Doch Restriktionen sind gefallen. Reisen in die USA sind längst wieder möglich.

Persönliche Erfahrungen und Erlebnisse auf der Mopedfahrt von Orlando in Florida im Südosten des Landes bis Santa Monica in Kalifornien im äußersten Westen sind das eine. Das andere: Karlheinz Weiß möchte mit dem Tripp etwas bewirken.

Er will auf die Arbeit des Frauen-Notrufs Wetterau in Nidda aufmerksam machen und die Frauen um Leiterin Christa Mansky in ihrem wichtigen und schwierigen Job unterstützen, wie er sagt. Der Grund dafür »ist bedauerlich einfach«, findet er. In seiner Umgebung habe es eine »Gestalt« gegeben, die ihre Frau »regelmäßig grün und blau geschlagen hat; sie zu würgen, bis sie blau angelaufen ist, gehörte auch gerne mal zum Repertoire«. Jede Menge Alkohol spielte da wohl eine Rolle.

Karlheinz Weiß hat vor dem Start eine Facebookseite eingerichtet. Dort berichtet er von unterwegs über seine Tour und hält alle Neugierigen auf dem Stand der Dinge. Wer ihm auf der Seite folgt, wird auf die Spendenmöglichkeit zugunsten des Frauen-Notrufs aufmerksam gemacht. »Ich bitte die Follower der USA-Tour, durch eine kleine Spende einen klaren Standpunkt einzunehmen.«

Christa Mansky, Leiterin des Frauen-Notrufs Wetterau, ist dankbar für die Unterstützung. Jede dritte Frau, so Mansky, erfährt im Laufe ihres Lebens körperliche, seelische und/oder sexualisierte Gewalt, sagt sie. Für die Arbeit des Frauen-Notrufs gibt es zwar öffentliche Mittel von Land, Kreis und Kommunen, »doch die reichen nicht aus, um die Kosten zu decken«. Daher stellten Spendenaktionen für die Beratungs- und Interventionsstelle des Frauen-Notrufs eine willkommene Hilfe dar, sagt Christa Mansky.

Von Nidda an den Ort des Geschehens. Auf den ersten Etappen in Florida hat Karlheinz Weiß schon was erlebt. Einen Platten, ausgerechnet am Hinterrad, und eine Tornadowarnung mit ergiebigen Regengüssen. Unterwegs ist er mit Zelt, Schlafsack und Geschirr. Alles verstaut im kleinen Hänger, hinten dran an der Quickly. Und wenn die alte Dame unterwegs streiken sollte?

Für Ersatzteile hat Weiß gesorgt. Ein zweiter Motor, Lichtmaschine, Kolbenringe… Für den Fall der Fälle alles rübergebracht. In den USA dürfte es zwar fast alles geben, was vorstellbar ist. Aber Ersatzteile für eine 60 Jahre alte NSU aus Neckarsulm? Wohl kaum.

Gut drei Monate – so lange kann’s dauern

Von Florida, durch den alten Süden nach Georgia, weiter nach Mississippi und Alabama. Es folgen Arkansas, Oklahoma, New Mexico, Arizona, Nevada und schließlich Kalifornien. Wenn alles glatt läuft, mit »drei, dreieinhalb Monaten« rechnet Karlheinz Weiß. »Darauf hat sich auch meine Frau eingestellt.« Und wieder grinst er wie ein Schelm.

Wer die Moped-Tour verfolgen will, hier die Adresse: www.facebook.com/groups/ 1901368966709204.
Spenden an den Frauen-Notruf: IBAN: 17 5185 0079 0050 0055 93

Kreis-Anzeiger online, 20.03.2022