Istanbul-Konvention muss umgesetzt werden - Jahresbericht des Frauen-Notrufs Wetterau: Immer mehr Frauen nutzen die anonyme Online-Beratung. 273 Mädchen und Frauen suchten Schutz.

Frauennotruf Wetterau

Nidda (red). Die Bedeutung der Istanbul-Konvention für den Gewaltschutzbereich und deren konsequente Umsetzung auch in der Wetterau ist ein wichtiges Thema im Jahresbericht 2019 des Frauen-Notrufs.

Die Istanbul-Konvention ist das “Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt”. Das Abkommen umfasst alle Formen von Gewalt, definiert den Begriff Diskriminierung der Frau und legt einen besonderen Schwerpunkt auf häusliche Gewalt. Mit der Unterzeichnung im Februar 2018 hat sich Deutschland verpflichtet, ein Gesamtkonzept zu Schutz, Bekämpfung, Prävention und effektiver Strafverfolgung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen zu erstellen und auf allen Ebenen umzusetzen. Bisher wurden die Vorgaben nur unzureichend erfüllt. Mehr als die Hälfte der Wetterauer Bevölkerung sind Frauen. Jede zweite bis dritte Frau wird mindestens einmal in ihrem Leben Opfer von körperlicher und/oder sexualisierter Gewalt. Unterschiedliche Formen sexueller Belästigung erlebt jede zweite Frau in Deutschland. Mädchen und Frauen mit Behinderung sind doppelt so häufig von Gewalt und sexualisierte Gewalt betroffen als Frauen ohne Einschränkungen. Sie nehmen jedoch viel seltener die Unterstützungsangebote aus dem Gewaltschutzbereich in Anspruch. Um diese Situation zu verbessern, wurde 2015 vom Frauen-Notruf Wetterau das Netzwerk “Suse – sicher und selbstbestimmt. Frauen und Mädchen mit Behinderung stärken” gegründet.
In 2019 hat sich das Suse-Netzwerk um eine Arbeitsgruppe erweitert, die in Leichter Sprache arbeitet. So können Expertinnen in eigener Sache mit kognitiven Einschränkungen ihre Interessen einbringen. Zusätzlich wurde das inklusive Projekt “Gemeinsam gegen Gewalt” erarbeitet.
In 2019 nutzten 273 Mädchen und Frauen mit und ohne Behinderung die Unterstützung des Frauen-Notrufs Wetterau überwiegend mehrmals. Teilweise konnte der Kontakt durch das proaktive Vorgehen in direkter Zusammenarbeit mit der Polizei hergestellt werden. Beim proaktiven Ansatz informiert die Polizei von Gewalt betroffene Frauen, Mädchen und Trans über das Beratungsangebot des Frauen-Notrufs und bietet die Übermittlung der Kontaktdaten zur Terminabsprache an die Beratungsstelle an. Auch Angehörige und Menschen, die beruflich oder privat mit Häuslicher Gewalt, Stalking oder sexualisierter Gewalt in Berührung kamen, wurden beraten. Für Beratungsgespräche mit Rollstuhl-Fahrerinnen und Geh-Eingeschränkten konnte auf das Karl-Dietz-Haus ausgewichen werden, da die Räume des Frauen-Notrufs nicht barrierefrei sind. Zunehmend wurde auch die geschützte und anonyme Online-Beratung genutzt. Es fällt manchen Frauen, die von Gewalt betroffen sind, leichter, sich über diesen weniger direkten Kontakt mitzuteilen.
Zur Unterstützung der Fachkräfte im Wetteraukreis wurde die Broschüre “Häusliche Gewalt” aktualisiert, inhaltlich erweitert und neu aufgelegt. Die Broschüre dient Fachkräften dazu, sich über einen angemessenen Umgang mit dem Verdacht auf Häusliche Gewalt zu informieren, und zeigt die abgestimmte Arbeitsweise verschiedener Institutionen auf. Der Frauen-Notruf wirkte dabei im Rahmen des fachübergreifenden Arbeitskreises “Runder Tisch gegen häusliche Gewalt” mit.
Über weitere Arbeitsschwerpunkte und Maßnahmen des Frauen-Notrufs, Informationen zur finanziellen Situation, zur Vernetzungsarbeit mit anderen Einrichtungen und Institutionen in 2019 und die Ziele für 2020 kann im Jahresbericht nachgelesen werden. Dieser kann online auf der barrierefreien Homepage www.frauennotruf-wetterau.de heruntergeladen werden oder ist in gedruckter Version direkt im Frauen-Notruf erhältlich.
Ohne die Finanzierung durch Land, Kreis, Kommunen, Gemeinden und viele weitere Unterstützer wäre diese Arbeit im vergangenen Jahr nicht möglich. Auch die Ziele für 2020 sind jahresfüllend und wichtig, weshalb eine Fortführung und Stärkung der finanziellen Unterstützung dringend notwendig ist.
Die Beratungsstelle des Frauen-Notrufs befindet sich in Nidda, Hinter dem Brauhaus 9, und ist täglich von 9 bis 13 Uhr sowie mittwochs von 15 bis 19 Uhr erreichbar. Nach Absprache können Beratungen auch außerhalb der Öffnungszeiten und andernorts erfolgen. Die Beratung ist kostenfrei. Eine Kontaktaufnahme ist unter 06043/4471, per E-Mail an info@frauennotruf-wetterau.de oder über die geschützte Online-Beratung auf der Homepage www.frauennotruf-wetterau.de möglich.
[Kreisanzeiger, 27.06.2020]