Presse-Berichte vom Projekt “Gemeinsam gegen Gewalt”

Hilfe für Menschen, die Gewalt erleben

Wetteraukreis (red). »Es ist wichtig, dass Menschen, die Gewalt erleben, wissen, wo sie sich hinwenden müssen«, sagt Ute König. Sie arbeitet in den Wetterauer Werkstätten der Behindertenhilfe Wetteraukreis und hat jetzt mit den anderen Teilnehmern des inklusiven Projekts »Gemeinsam gegen Gewalt«, der Beauftragten der Landesregierung für Menschen mit Behinderungen, Rika Esser, und Landrat Jan Weckler (CDU) die Gewaltschutzbroschüre vorgestellt.

»Es gibt viele Informationen, Fachberatungsstellen und Hilfen, aber Menschen mit Behinderungen wissen nichts davon oder können die Hilfen nicht eigenständig aufsuchen«, erklärt Christa Mansky vom Frauen-Notruf Wetterau, der das Suse-Netzwerk Wetterau ins Leben gerufen hat. Gleichzeitig ist es für Menschen mit geistigen Einschränkungen oft schwer, die Informationen überhaupt zu verstehen.

Aufeinander eingelassen

Das haben die Projektteilnehmer anfangs selbst erfahren: Beim ersten Treffen, an dem zwei Mitarbeiterinnen aus den Wetterauer Werkstätten teilnahmen, wurde schnell deutlich, dass die beiden dem Fachgespräch nicht folgen können. Ute König hat anschließend einen Brief an das Suse-Netzwerk geschrieben, in dem sie forderte: »Wenn Sie wollen, dass wir Sie verstehen, müssen Sie Leichte Sprache sprechen!« Also wurde gemeinsam überlegt, wie inklusive Arbeit im Netzwerk aussehen und wie der Gewaltschutz für Menschen mit Behinderung verbessert werden kann.

Neben Christa Mansky haben auch Miriam Vermeil vom Wildwasser Wetterau, Nico Spieler von Pro Familia Friedberg, Birgit Ahrens von der Lebenshilfe Wetterau, Marianne Arndt vom Büro für Leichte Sprache der Behindertenhilfe Wetteraukreis sowie Ute König, Kirsten Luckau, Marie Rachor, Mirjam Siebert und Vinzenz Schaupp, die in den Wetterauer Werkstätten arbeiten, am Gewaltschutzprojekt teilgenommen. Sie haben sich aufeinander eingelassen und auch viel mitgenommen. Miriam Vermeil betont: »Ich habe gelernt, in einfacher Sprache zu sprechen, das ist auch in vielen Beratungen hilfreich. Menschen mit und ohne Behinderungen müssen mehr aufeinander zugehen, damit Inklusion stattfinden kann.«

Nachdem ein geplanter Fachtag 2020 wegen Corona abgesagt werden musste, entschied sich die Projektgruppe schließlich, eine Broschüre in Leichter Sprache herauszugeben. Die Teilnehmer haben die Inhalte zusammen geplant, Beratungsstellen und die Polizei besucht sowie Interviews geführt. Auch mit einer Selbstbehauptungstrainerin haben sie gesprochen.

Detaillierte Informationen

»Ich kann Streit nicht leiden«, erklärt Kirsten Luckau. »Ich habe gelernt, ›Nein‹ und ›Stopp‹ zu sagen.« Sie sei selbstbewusster geworden. »Ich nehme Probleme jetzt bewusster wahr«, sagt Vinzenz Schaupp. Für ihn sei die Teilnahme gut und anstrengend gewesen. »Über Gewalt wird oft nicht gesprochen. Betroffene haben Angst oder schämen sich. Oder sie bekommen aus Unwissenheit keine Hilfe«, sagt Birgit Ahrens.

Die Broschüre solle Mut machen, sich Hilfe zu suchen. Der Schlüssel sei Verständlichkeit. »Es braucht die Leichte Sprache«, betont Marianne Arndt. Dem schließt sich die Beauftragte der Landesregierung für Menschen mit Behinderungen, Rika Esser, an. »Gewaltschutz muss besser werden. Viele Menschen wissen zu wenig über ihre Rechte und über Hilfen. Die Broschüre bietet detaillierte und verständliche Informationen«, sagt sie. Wie Landrat Jan Weckler bedankt sie sich bei den Projektteilnehmern für ihre Arbeit. »Lassen Sie uns hinsehen bei Gewalt. Setzen wir uns gemeinsam ein für ein Leben ohne Gewalt«, fordert er auf.

Die Broschüre »Gemeinsam gegen Gewalt – Infos und Hilfen in der Wetterau« in Leichter Sprache richtet sich an Menschen, die Gewalt erleben. Es wird beschrieben, welche Formen von Gewalt es gibt und wo man im Wetteraukreis Hilfe bekommt. Die Beratungsstellen werden vorgestellt. Die Broschüre gibt es in den Beratungsstellen und in den Einrichtungen der Behindertenhilfe Wetteraukreis sowie auf www.bhw-wetteraukreis.de/beratung/.

Kreis-Anzeiger, 13.04.2023

Gewaltschutz inklusiv gedacht

Wetteraukreis (pm). Für Menschen mit Behinderung ist das Risiko, Gewalt zu erleben, deutlich höher als für den Durchschnitt der Bevölkerung. Im Wetteraukreis erarbeitet eine inklusive Arbeitsgruppe aktuell eine Broschüre zum Gewaltschutz.

Noch eine letzte Interviewfrage und ein gemeinsames Foto, dann ist es geschafft. Marianne Arndt vom Wetterauer Büro für Leichte Sprache und fünf Mitarbeitende der Werkstätten der Behindertenhilfe Wetteraukreis sind ganz schön herumgekommen in den vergangenen Monaten. Sie waren auf der Polizei Friedberg, bei Pro Familia, Wildwasser Wetterau und beim Frauen-Notruf zu Gast, um ihre Gespräche für die Broschüre zu führen. Dabei wurden sie von der Fotografin Annika Wolfraum begleitet.

Leicht verständlich und anschaulich soll sie werden, das ist den Mitarbeitenden der Arbeitsgruppe wichtig. »Viele Menschen haben keine Vorstellung davon, was sie in einer Beratungsstelle oder auf der Polizeistation erwartet. Mit den Texten und Fotos geben wir einen Einblick, wie es in den Räumlichkeiten aussieht und welche Unterstützung Betroffene dort erhalten«, erläutert Birgit Ahrens von der Lebenshilfe Wetterau. Ziel sei es, über Hilfeeinrichtungen zu informieren und deutlich zu machen, dass dort auch Menschen mit Behinderung willkommen sind und Hilfe nach Gewalterfahrungen erhalten.

Im Vordergrund bei den Interviewfragen standen die Belange der Mitarbeitenden mit Behinderung. Ihre Perspektive ist der zentrale Blickwinkel in der Broschüre. Da kommt es auch vor, dass in einer Beratungsstelle ganz unverblümt gefragt wird, ob die Beratung denn überhaupt etwas nützt und ob man mehrmals kommen darf. Laut Nico Spieler von Pro Familia Friedberg richtet sich die Broschüre nicht nur an Frauen, sondern auch an Männer. Jene mit Diskriminierungserfahrung seien überdurchschnittlich oft von Gewalt betroffen und benötigen Infos über Hilfsmöglichkeiten.

Neben den Texten zu Wetterauer Einrichtungen, informiert die Broschüre in Leichter Sprache über die verschiedenen Formen von Gewalt, Selbstbehauptung und über Gewaltschutz in Werkstätten und betreutem Wohnen. Die Erstellung und der Druck der Broschüre werden über Aktion Mensch finanziell gefördert.

Bereits Ende 2020 entstand die Idee zur Broschüre über Gewaltschutz. Christa Mansky vom Frauen-Notruf und Miriam Vermeil von Wildwasser erinnern sich, dass es anfangs nicht leicht war, eine gemeinsame Vorgehensweise und das richtige Arbeitstempo zu finden. Durch die Arbeit sei die Gruppe eng zusammengewachsen und alle seien stolz, dass trotz Pandemie und Lockdowns die Broschüre kurz vor der Fertigstellung steht. Bis Ende des Jahres soll sie in gedruckter Form vorliegen.

Wetterauer Zeitung, 14.12.2022