Corona-Pandemie verschlimmert Gewaltsituation

Frauennotruf Wetterau

»Wir begleiten ihre wichtige Arbeit auf der politischen Ebene seit Jahrzehnten und sind dankbar für einen regelmäßigen Austausch«, sagte Kristina Paulenz, die kürzlich mit dem Vorstand und Beirat der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF) Wetterau den Frauen-Notruf Wetterau in Nidda besucht hat.
Empfangen wurden die Kommunalpolitikerinnen von Jeanette Stragies, die als Beraterin in der Einrichtung tätig ist, Anne Hantschel (Öffentlichkeitsarbeit) sowie von der langjährigen Vorstandsfrau Renate Fleischer-Neumann. Der Frauen-Notruf, der 1988 gegründet wurde, verfügt über vier Mitarbeiterinnen in Teilzeit. Das Team berät und unterstützt Frauen und Mädchen, die von Gewalt betroffen sind oder waren, entwickelt gemeinsam mit ihnen neue Lebensperspektiven und sucht nach Wegen aus der Gewalt heraus sowie nach Strategien, um das Erlebte zu verarbeiten.
Ein Thema dominierte sofort das Gespräch: die Corona-Pandemie. »Vieles, was bis 2020, vor der Krise, noch selbstverständlich für unsere Arbeit war, wurde plötzlich auf den Kopf gestellt. Wir mussten neue Wege finden, um unser Unterstützungs- und Beratungsangebot für gewaltbetroffene Frauen und Mädchen sicherzustellen.«
Unbürokratisch Schutz gewähren
In der Krise sei es besonders wichtig gewesen, schnell, unbürokratisch und zuverlässig Schutz zu gewähren, erklärte Jeanette Stragies. Die Lebenssituationen für gewaltbetroffene Frauen und Mädchen habe sich durch die Pandemie verschlimmert. Das zeige auch der um 23 Prozent gestiegene Beratungsbedarf in der ersten Jahreshälfte 2021. Corona habe auch die Anzahl der Beratungskontakte und die Intensität der Beratung erhöht, da oft multiple Problemfelder und Hochrisikofälle vorliegen.
Die drei Vertreterinnen des Frauen-Notrufs warben für ihr Online-Beratungsangebot, das sich an Mädchen ab dem 14. Lebensjahr richtet. »Wir arbeiten mit einem gesicherten Server und bieten den jungen Frauen einen geschützten Raum, um über Probleme und Ängste zu sprechen«, so Stragies. Ein weiterer Ansatzpunkt, um die jüngere Generation zu erreichen und eine erfolgreiche Präventionsarbeit zu leisten, sei das Einsetzen einer Fachkraft für Präventionsprojekte. Schwerpunkte sollen unter anderem die Themen »Sexualisierte Gewalt bei Jugendlichen« und »Gewalt in der ersten Partnerschaft« sein.
»Wir versuchen mit unseren Themen auch in der Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden und Tabus zu überwinden«, sagte Hantschel. Sie sprach auch die Betten-Aktion zur medizinischen Soforthilfe nach Vergewaltigung auf dem Friedberger Elvis-Presley-Platz an, die geplante Bus-Werbung und die vielfältigen Aktionen am sogenannten »Orange-Day«, am internationalen Aktionstag gegen Gewalt an Frauen und Mädchen am 25. November. Die Vertreterinnen des Frauen-Notrufs sprachen auch die Unterfinanzierung der Beratungsstelle an. »Im letzten Jahr hatten wir ein Defizit von 30 000 Euro. Um die 200 Beratungen, die wir im Jahr haben, dauerhaft sicherzustellen, und alle betroffenen Frauen im Wetteraukreis beraten zu können, brauchen wir eine stärkere finanzielle Unterstützung von Land, Kreis und Kommunen«. Auch sei eine Stellenerhöhung auf 2,56 Vollzeitstellen nötig, um flächendeckend und nachhaltig im Sinne der Istanbul-Konvention arbeiten zu können.
Wetteraukreis/Nidda (pm). Wetterauer Zeitung – 05.11.2021)