Eine starre Hierarchie deckt ein übles System
Frauennotruf WetterauOrange ist die Symbolfarbe des internationalen Tages zum Kampf gegen Gewalt gegen Frauen. Leuchtend gekleidet machten Zontians und der Frauennotruf Wetterau rüttelten in Nidda auf.
Gewalt gegen Frauen drückt sich nicht nur in schwerer körperlicher Aggression, sondern auch in alltäglichem Missachten und Ausnützen aus. So war den Zontians viel daran gelegen, auf dem Niddaer Marktplatz mit Passantinnen und Passanten ins Gespräch zu kommen und auf grobe wie auch auf verdeckte Gewalt aufmerksam zu machen. Um intensiver ins Gespräch zu kommen, hatten sie Mistelzweige organisiert, die Vorübergehende gern gegen eine Spende mitnahmen. Die Mittel werden dafür verwandt, wieder einen Selbstverteidigungskurs für junge Frauen kostenlos anbieten zu können, wie es Zonta schon einige Male getan hat.
Über Rüpeleien beim Einkaufen
Eine ältere Frau hatte deutlichen Gesprächsbedarf und erzählte der Gruppe ein aktuelles Erlebnis. Sie wollte gerade ein Niddaer Einzelhandelsgeschäft betreten, als ein junges Paar ihr zuvorkam. Der Mann ging in den Verkaufsraum und knallte seiner Frau, die den Kinderwagen schob, die Tür vor der Nase zu. Die ältere Passantin wollte helfen, hielt der jungen Frau die Tür auf. Darauf drehte sich der Mann unfreundlich zur Älteren um und begann, sie zu beschimpfen. Der Ladenbesitzer griff ein – nicht etwa um zu vermitteln, sondern um die Partei des Wütenden zu ergreifen: »Was mischen Sie sich da ein? Das geht doch nur das Paar an! Halten Sie sich raus!« – eine Reaktion, die für die Hilfsbereite vollkommen unverständlich war. »Da kaufe ich nie wieder ein!«, beschloss sie.
Auch die Vorführung des mehrfach mit Preisen ausgezeichneten Films »The Assistant«, die das Team des Frauennotrufs Wetterau zusammen mit dem Lumos-Kino organisiert hatte, machte auf verdeckte Gewalt gegen Frauen aufmerksam. Unter dem Eindruck des Weinstein-Skandals interviewte die Regisseurin Kitty Green 2019 junge Frauen, die in großen Firmen, insbesondere in der Filmindustrie, tätig waren. Aus ihren Erfahrungen entwickelte sie die Filmhandlung. Überzeugend dargestellt wird der Arbeitsalltag einer jungen Frau ganz unten in die Hierarchie, die nur lästige Routineaufgaben zugewiesen bekommt und launenhaft behandelt, um nicht zu sagen schikaniert wird. Bei Protest gegen Übergriffe auf eine andere junge Frau bekommt sie erst scheinbar Aufmerksamkeit und wird dann mit der Drohung, sie könne ihren Job verlieren, wieder gefügig gemacht.
Mehr Zuschauer gewünscht
Das Notruf-Team hätte sich noch weit mehr Zuschauer gewünscht. Allerdings war die anschießende Diskussion, an der auch Zontians teilnahmen, sehr rege. »Den Job hält die Frau nicht lang durch. Entweder landet sie im Burn-out oder wird abhängig von Beruhigungsmitteln«, wurde mehrfach geäußert. Noch hellsichtiger war der Beitrag einer Frau, die langjährig in einem kaufmännischen Betrieb mit 150 Kollegen gearbeitet hatte: »Ein Kollege, der mir Papierkügelchen ins Gesicht schmeißt und mich rumkommandiert? Das hätte der ein einziges Mal gemacht!« Das fand Zustimmung: In Betrieben, wo ungeniert Machtstrukturen statt Kollegialität und Fairness gelebt werden, muss sich frau hart durchsetzen – oder gehen.
Anne Hantschel vom Frauennotruf begründete: »Wir haben diesen Film gewählt, weil er Betriebsklimata zeigt, in denen Übergriffe auf Frauen verharmlosend als Einzelfall dargestellt werden. Strenge Hierarchien begünstigen und decken ein solch übles System, wenn das Gegengewicht – Kollegialität, Solidarität untereinander, Kritikbereitschaft von Vorgesetzten – fehlt.«
Nebeneffekt dieser Veranstaltung: Zwei junge Frauen, Fachkräfte in einem soziotherapeutischen Zentrum der Region, wo auch Menschen mit psychosomatischen Störungen nach Gewalterfahrung behandelt werden, informierten sich genauer über die aktuellen Projekte des Frauennotrufs sowie über entsprechende Netzwerke im Kreis.