Pressebericht Kreisanzeiger - Anstieg Häuslicher Gewalt erwartet

Frauennotruf Wetterau

Fachkräfte im Wetteraukreis überlegen, die Kapazitäten der Frauenhäuser und Notunterkünfte zu erweitern.

Nidda (red). Erfahrungen aus China oder auch Frankreich zeigen, dass Häusliche Gewalt in Zeiten der Corona-Pandemie um mindestens 30 Prozent steigt. Auch in Deutschland wird ein deutlicher Anstieg der Fallzahlen von Fachkräften und aus der Politik erwartet. Überlegungen gehen dahin, die Kapazitäten von Frauenhäusern und Notunterkünften zu erweitern. Beratungsangebote sollen bestehen bleiben und ausgebaut werden. Das schreiben die Vertreterinnen des Frauen-Notrufs Wetterau in Nidda in einer Pressemitteilung. “Auch wenn diese Maßnahmen richtig und notwendig sind, gehen sie nicht über das Verwalten von der Gewalt hinaus”, konstatiert Christa Mansky vom Frauen-Notruf. Seit mehr als 40 Jahren gibt es für Frauen und ihre Kinder die Möglichkeit, Schutz in einem Frauenhaus zu suchen. “Aber das hat das Ausmaß von Häuslicher Gewalt nicht verringert. Im Gegenteil, die Polizei meldet jährlich eine steigende Anzahl von Fällen”, sagt Mansky. Warum sind es nach wie vor meist die Frauen, die ihr Haus verlassen müssen, obwohl der Mann der Täter ist? Warum bleiben so viele Täter von Häuslicher Gewalt und auch Vergewaltigung straffrei? Warum können Täter die nächste Frau misshandeln, nachdem sie von ihrer Partnerin verlassen wurden? Warum haben Täter das Recht, ihre Kinder regelmäßig zu sehen, obwohl sie keinen Kindesunterhalt zahlen und die Kinder Angst vor ihnen haben? Warum geraten so viele Frauen nach einer Trennung von ihrem gewalttätigen Partner in Armut? Dies sind dringende Fragen, auf die unsere Gesellschaft Antworten und Lösungen zu finden habe.
Bereits vor Corona starben in Deutschland jede Woche drei Frauen durch die Gewalt ihres Partners oder Ex-Partners. Jede vierte Frau erfährt im Laufe ihres Lebens Gewalt durch ihren aktuellen oder früheren Lebenspartner. Davon erleben ein Drittel der Betroffenen systematische, schwere bis sehr schwere Misshandlungen, oft über viele Jahre hinweg. Psychische und zum Teil körperliche Folgen bleiben ein Leben lang, auch wenn die Frauen es schaffen, sich aus der Gewaltbeziehung zu lösen.
Dies geschieht tagtäglich in der Mitte unserer Gesellschaft, denn Häusliche Gewalt wird unabhängig von Bildung, Einkommen oder Migrationshintergrund ausgeübt. Die Täter sind meist die freundlichen und zuvorkommenden Nachbarn, Kollegen oder Chefs. “Ihnen traut man nicht zu, dass sie Frauen und Kinder quälen und misshandeln.”
Die gesteigerte Aufmerksamkeit auf das Thema Häusliche Gewalt während der Corona-Pandemie biete die Chance, neu zu denken. Mansky weiter: “Nur eine tief greifende, strukturelle Veränderung bietet die Chance, diese unerträgliche Situation in Deutschland zu verändern. Und in erster Linie ist hier politischer Wille und Handeln gefragt.” Zum Beispiel eine grundlegende Bewusstseinsbildung in der Gesellschaft und die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern, die Ächtung und Bestrafung von Gewalttaten gegen Frauen und Kinder sowie ausreichende und bedarfsgerechte Unterstützungssysteme für Frauen und ihre Kinder. Der Frauennotruf verweist auf das Grundgesetz, in dem steht: Die Würde des Menschen (und damit auch von Frauen) ist unantastbar. Es sei die Verpflichtung aller staatlicher Gewalt, sie zu achten und zu schützen. Von einer Gesellschaft ohne Gewalt gegen Frauen würden alle profitieren – sie würde menschlicher und lebenswerter werden. Ganz abgesehen von der Einsparung von mindestens 3,8 Milliarden Euro pro Jahr, die die Gesellschaft aufgrund von Häuslicher Gewalt zu tragen habe. Zahlreiche Maßnahmen für diese strukturelle Veränderung sind in der Istanbul-Konvention zu finden.
Auch während der Corona-Krise steht der Frauen-Notruf Wetterau mit seinen Unterstützungsangeboten unter folgendem Kontakt zur Verfügung: Telefon: 06043 4471, E-Mail: info@frauennotruf-wetterau.de.
(Kreisanzeiger, 17.04.2020)